rede dr. nils kößler 31.03.2022

Dr. nils kößler sprach zur Anklage wegen Korruption gegen Oberbürgermeister Feldmann

Herr Vorsteher, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wenn der Amtseid für Bundesminister auch der Amtseid für den Frankfurter Oberbürgermeister gewesen wäre, dann wäre darin die Verpflichtung enthalten gewesen, Schaden von der Bevölkerung in Frankfurt abzuwenden. Der Amtseid, den der Frankfurter Oberbürgermeister 2012 geleistet hat und der nach wie vor gilt, ist nach der hessischen Formulierung etwas abstrakter und spricht davon, die Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Wir glauben trotzdem, dass die Messlatte, um die es geht und die heute Abend auch im Mittelpunkt steht, dieselbe ist, meine Damen und Herren. Es geht darum, Schaden von dieser Stadt abzuwenden. Wir müssen leider feststellen, dass in den letzten zwei Wochen ein großer Schaden für den Ruf dieser Stadt und auch für das Amt des Oberbürgermeisters eingetreten ist, wieder einmal und in einer neuen Dimension. Ein Desaster, meine Damen und Herren!

(Beifall)

Deswegen wird in dieser Stadt über die Frage gestritten, ob ein Oberbürgermeister sein Amt weiter ausführen kann und soll, wenn er gleichzeitig von der Staatsanwaltschaft wegen Vorteilsnahme, also wegen Korruption, angeklagt worden ist. Ist es der Stadt und den Menschen, die hier leben, zuzumuten, einen solchen obersten Repräsentanten weiter auszuhalten? Wir meinen: Nein, meine Damen und Herren. Es reicht!

(Beifall)

Herr Oberbürgermeister, treten Sie zurück!

(Beifall)

Oder erklären Sie ansonsten den Menschen heute Abend, warum es Ihnen völlig egal ist, dass viele Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt diese Situation für geradezu unerträglich halten.

(Beifall)

Aber wahrscheinlich schweigen Sie lieber. Sie haben in den letzten Tagen erklären lassen, Sie würden Ihre Tätigkeit reduzieren und auf öffentliche Auftritte in der nächsten Zeit verzichten wollen. Womit haben die Frankfurterinnen und Frankfurter eigentlich einen solchen „halben“ Oberbürgermeister verdient, meine Damen und Herren?

(Beifall)

Wie lange soll das gehen? Jetzt ist die Stunde der Wahrheit, auch für die Fraktionen in diesem Parlament, gekommen. Sprechen Sie sich, wie wir, für den sofortigen Rücktritt aus oder sagen Sie den Menschen, was noch alles passieren muss, bevor auch aus Ihrer Sicht die Belastungsgrenze für unsere Stadt erreicht ist?

(Beifall)

Bitte halten wir uns jetzt keine gegenseitigen Vorträge darüber, wie ein Strafprozess in Deutschland ablaufen sollte. Das darf man wohl bei den meisten Menschen hier im Saal voraussetzen. Über die juristische Unschuldsvermutung bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung müssen hier keine Stadtverordnete und kein Stadtverordneter mehr belehrt werden. Es geht hier und heute Abend nicht darum, dass wir an der Stelle des Gerichts den Sachverhalt bewerten. Oder dass wir die stattgefundene Bewertung durch die Staatsanwaltschaft uns mehr oder weniger zu eigen machen. Die Meinung des Oberbürgermeisters über die Arbeit der Staatsanwaltschaft haben wir bereits zur Kenntnis nehmen dürfen. Die Justiz wird sich weiter pflichtgemäß mit der Aufklärung des
AWO-Skandals befassen. Daran haben wir von der CDU jedenfalls keine Zweifel!

(Beifall)

Es ist in der Tat auch eine spannende Frage, welche Feststellungen das Gericht am Ende treffen wird. Hier in diesem Kreis ging es zuletzt im August 2020 hoch her, als darüber gestritten wurde, ob der Oberbürgermeister der Sozialstadträtin in einer Theaterpause gesagt habe, sie solle sich mit der AWO einigen. Die Frage, die uns heute Abend aber hier zu Recht beschäftigt, ist nicht die Frage, ob die Anklage begründet ist oder nicht. Bei uns geht es heute Abend um die Frage, welche Reaktion des Oberbürgermeisters die richtige wäre, wenn ihm in dieser Form als Ergebnis eines abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens offiziell Korruption vorgeworfen wird. Die jüngere Geschichte in Deutschland bietet für alle diejenigen, die zum Beispiel hier in Frankfurt kein richtiges Bauchgefühl bei der Sache haben, durchaus Orientierung, meine Damen und Herren. Der frühere Bundespräsident Christian Wulff, gegen den am 16. Februar 2012 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, ist am 17. Februar 2012 vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten; einen Tag danach.

Hätte dies der Frankfurter Oberbürgermeister vergleichbar getan, wäre das bereits vor einem Jahr passiert. Damals ist das Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet worden. Jetzt sind wir ein Jahr weiter und die Ermittlungen sind abgeschlossen. Da könnte man eigentlich mit einem „Jetzt-erst-recht-Schluss“ kommen. Es gibt aber auch Fälle, die noch nicht ganz so lang zurückliegen. Wenn man zum Beispiel nach Hannover schaut, ins Jahr 2019, dann kann man feststellen, dass dort ein Oberbürgermeister ebenfalls wegen einer Straftat angeklagt worden ist und dann aus dem Amt ausgeschieden ist, weil er diesen Zustand nicht länger zulassen wollte. Das wären durchaus „Vorbilder“, an denen sich der Frankfurter Oberbürgermeister orientieren könnte.

(Beifall)

Die Wahrheit ist doch: Sehr viele Menschen hier im Saal, aber auch in der Stadt draußen, würden erleichtert aufatmen, wenn der Oberbürgermeister tatsächlich endlich zurücktreten würde – übrigens auch die meisten Mitglieder der SPD und der anderen Regierungsparteien. Aber das ist ihr Problem. Eine gemeinsame Linie hat diese Koalition bisher nicht gefunden! In der jetzigen Debatte heute Abend, meine Damen und Herren, müssen die Fraktionen, und vor allen Dingen die Koalition aus Frankfurt, entscheiden, wie viel ihnen Glaubwürdigkeit und klare Grenzen wert sind. Dazu gehört auch eine Ansage, wann sie sich unserem Abwahlantrag anschließen würden. Zur Frage, ob dieser Oberbürgermeister jetzt noch im Amt bleiben soll, müssen alle – alle hier – eine Meinung haben. Die Zeit des Herumeierns ist vorbei.

Vielen Dank!

(Beifall)

DR. NILS KÖßLER
Fraktionsvorsitzender

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