rede dr. nils kößler 20.07.2023

Dr. nils kößler sprach in der 24. Stadtverordnetenversammlung zum städtischen Haushalt 2023

Sehr geehrter Herr Vorsteher, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kinder!

Es sind zwar, glaube ich, keine mehr im Saal, aber um sie geht es beim Haushalt in der Sache oft im Kern, und so auch heute. Ich möchte ein Zitat an den Anfang der Rede stellen. Ich zitiere: „Diese Koalition hat einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Das heißt, die geplanten Ausgaben entsprechen den erwarteten Einnahmen. Er ist nachhaltig, weil er die Verschuldung unserer Stadt nicht noch weiter in die Höhe treibt, und er ist solide, weil es gelingt, mit den weiterhin extrem hohen Steuereinnahmen Frankfurts sämtliche notwendigen Investitionen abschließend zu tätigen. Dafür hat die Koalition die verzichtbaren Ausgaben gestrichen und von ihrem politischen Wunschzettel nur das aufgenommen, was wirklich allen nützt.“ Jetzt werden Sie sich fragen: Von wem ist denn das Zitat? Die Antwort ist: leider von niemandem aus der Frankfurter Ampelkoalition, meine Damen und Herren.

                        (Beifall, Zurufe)

Insbesondere ist es auch nicht vom Stadtkämmerer, etwa bei der Einbringung dieses Haushalts. Ja, meine Damen und Herren, es wäre aus unserer Sicht schön gewesen, wenn dies ein wahrhaftes Zitat gewesen wäre und wenn es hier in diesem Jahr in diesem Haus von dieser Koalition gekommen wäre, aber die Realität sieht anders aus. Das Ausgabenprogramm beträgt fast fünf Milliarden Euro, Sie kennen die Zahlen, und damit verbunden ist eine steigende Verschuldung gerade zulasten der Jüngeren.

                              (Beifall)

Wir sind derzeit bei 2,5 Milliarden Euro, das sind, wenn man in etwa von der Einwohnerzahl ausgeht, 3.300 Euro pro Kopf, egal, wie alt dieser Kopf ist. Die Verschuldung steigt auf vier Milliarden Euro, das ist der Plan, so ist es auch für 2025 im Haushaltsentwurf quasi vorgesehen, und Ende 2026, das ist das Ende dieses Planungszeitraums, über den heute entschieden wird, werden es über viereinhalb Milliarden Euro sein, meine Damen und Herren. Wenn Sie wieder wissen wollen, wieviel das pro Kopf ist: Da sind wir bei etwa 6.000 Euro pro Kopf. Es entsteht hier ein so krasser Schuldenberg, dass es einem die Sprache verschlägt: 600 Millionen Euro Neuverschuldung allein in diesem Jahr, nach Plan, gegenüber noch 150 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Damit werden den jüngeren Generationen immer weiter finanzielle Lasten aufgebürdet, die sie in der Zukunft mehr und mehr einschnüren. Land und Bund haben eine Schuldenbremse, für deren Einhaltung hart gearbeitet wird, Frankfurt leider nicht. Wir geben weiterhin in hohem Maße Geld aus, das wir nicht haben. Vor diesem Hintergrund gratuliere ich der Koalition auch zu der sehr gelungenen und toll inszenierten Geldverteilungsparty von gestern. Es ist ein gigantischer Taschenspielertrick, den Sie da mit den rund 100 Millionen Euro Budgetüberträgen aus dem letzten Jahr abgezogen haben. Schein und Sein klaffen bei dieser Koalition aber weit auseinander. „Sein“ ist ein galoppierendes Defizit, und das ist jetzt sozusagen diese Woche im Haupt- und Finanzausschuss auch amtlich geworden. Aus den angeblich 49 Millionen Euro Defizit nach Plan bei der Haushaltseinbringung sind inzwischen nach der aktuellen Prognose schon 275 Millionen Euro geworden – eine Versechsfachung, und das ist jetzt nur der Stand zur Mitte des Jahres. Die Rechnung dafür ist mit dem sogenannten Haushaltssicherungskonzept aber auch schon präsentiert worden. Was sieht es vor? Zoo und Museen werden teurer, es gibt einen Solidaritätszuschlag für Kindertagesstätten, also für die Menschen, die ihre Kinder dort hinbringen, dieser beträgt 40 Euro pro Monat pro Vollzeitplatz, …

                              (Zurufe)

… die Parkgebühren steigen, und die Erweiterung einer Sportanlage ist gestrichen worden. Etwa 116 Millionen Euro sollen so über die drei Jahre bis 2026 zusammenkommen. Dieses sogenannte Haushaltssicherungskonzept ist eine Enttäuschung. Es enttäuscht, weil es keinerlei Ausgabenkritik enthält und keine Bemühungen erkennen lässt, die sich abzeichnend hohen Defizite etwa durch Einsparungen zu verringern.

                              (Beifall)

Die Koalition ist offenbar nicht in der Lage, bei Vorhaben Prioritäten zu setzen. Stattdessen versucht sie, einen vermeintlich einfachen Weg zu gehen: die Erhöhung von Gebühren, Eintrittspreisen und anderen Einnahmen. Die Menschen in dieser Stadt sind aber durch Inflation, den Anstieg der Lebenshaltungskosten, Preiserhöhungen für Lebensmittel und Energie schon stark gebeutelt. In dieser Situation fällt Ihnen nichts anderes ein, als den Menschen zusätzlich in den Geldbeutel zu fassen: Erhöhung des Zooeintrittspreises um 33 Prozent, Erhöhung der Eintrittspreise für Museen und den Palmengarten, der Parkgebühren oder auch der Bestattungsgebühren. Der Koalition fehlt der Sinn für die Bedürfnisse und Nöte der Menschen, und wie man sieht, wo Sie den Hebel ansetzen, zeigt diese Stadtregierung eher eine kühl oder sogar gleichgültige soziale Haltung. Bei den genannten Einrichtungen, wie Zoo, Palmengarten oder Museen, geht es auch um Teilhabe an Bildung für die Menschen, die nicht so viel Geld haben. Da mutet es schon sonderbar an, wenn gleichzeitig in anderem Rahmen, etwa im Magistrat, Gelder freigegeben werden, zum Beispiel für Interrail‑Tickets, die derzeit keiner braucht, vor allen Dingen, weil für Zuschüsse aus diesen Mitteln nicht einmal Bedürftigkeit eine Voraussetzung ist. Geradezu abenteuerlich ist aber auch der Kita‑Soli von 40 Euro. Erst zanken Sie sich …

                              (Zurufe)

Ja, aber der wird kommen, vor allen Dingen, wenn wir im Moment von einer Versechsfachung des Defizits ausgehen müssen. Da können Sie noch so oft behaupten, das ist alles nur ein Plan B oder Z, wie immer Sie es nennen wollen.

                              (Zurufe)

Sie zanken sich auf offener Bühne erst um die Finanzierung des kostenfreien Krippenjahres und dann stellen Sie zehn Millionen Euro ins Schaufenster ohne Deckung im Haushalt. Dann greifen Sie von hinten wieder in die Tasche der Eltern, um die Löcher in Ihrem Haushalt zu stopfen. Ein falsches Spiel, das das Vertrauen in die Politik dauerhaft untergräbt.

                              (Beifall)

Wem das noch nicht genug ist: Von der ABG planen Sie eine höhere Ausschüttung ein, dabei sind die Preise fürs Bauen und für Sanierung explodiert, das weiß so ziemlich jeder. In dieser Situation nehmen Sie der ABG noch zusätzliche Mittel für den eigentlich notwendigen Bau von Wohnungen weg. Wir brauchen aber zusätzliche Wohnungen in dieser Stadt und keine Beschlüsse, die die Mittel für Wohnungsbau bei der ABG kürzen und dafür die Stadtkasse auffüllen, meine Damen und Herren!

                              (Beifall)

Allein die hohen Gewerbesteuereinnahmen zeigen, dass Frankfurt kein Einnahmenproblem hat. Die Koalition hat aber keine Kraft und keine Idee, die Ausgaben zu reduzieren. Sie erhöhen lieber die Einnahmen und bedienen sich bei den Bürgern. Die CDU hat mit ihren Haushaltsanträgen gezeigt, dass es auch anders geht: weniger Schulden, trotzdem sinnvolle Ausgaben. Unsere über 70 Haushaltsanträge belaufen sich auf fünf Millionen Euro direkte Umschichtung, 23 Millionen Euro Mehrausgaben, aber eben auch 29 Millionen Euro Minderausgaben. Ergibt unter dem Strich sechs Millionen Euro Einsparungen. Das zeigt im Kleinen, wie es eigentlich bei der Koalition auch im Großen gehen müsste. Dass es dazu beim Haushalt insgesamt nicht gekommen ist, hat die Frankfurter Ampelkoalition zu verantworten. Gießkannenförderung, wie sie gelegentlich an den Tag gelegt wird, ist nichts, was auch in der Bevölkerung gut ankommt.

Wir haben als CDU viele Alternativanträge zur Diskussion gestellt, ich will nur einmal drei Beispiele nennen: Das ist zum einen der Ausbau von Förderschulen und inklusiver Beschulung, das ist zum anderen Digitalisierung und mehr Stellen für die Ausländerbehörde oder zusammenfassend die Instandhaltung von Straßen, Radwegen und Spielplätzen, wo es derzeit an vielen Ecken und Enden mangelt.

Unterdessen schaut die Koalition seelenruhig zu, wie die Infrastruktur in dieser Stadt leider weiter den Bach runtergeht. Für die Spielplätze reicht es hinten und vorne nicht. Der Zustand vieler Schultoiletten ist weiterhin mehr als beklagenswert und Leichtathletikvereine trainieren zum Teil auf ranzigen Sportanlagen. Aber für hässliche und überteuerte Blumenkübel auf den Straßen ist aus ideologischen Gründen genug Geld da.

                        (Beifall, Zurufe)

Nein, meine Damen und Herren, diese Koalition zockt mit städtischem Geld und läuft Gefahr, sich dabei zu verzocken, und dies vor dem Hintergrund einer Rezession und schlechter Rahmendaten mit einer perspektivischen Verschlechterung eben für Frankfurt insgesamt. Mal ganz nebenbei: Industriepolitisch hören wir von dieser Koalition so gut wie nichts. Der Niedergang des Industrieparks Griesheim wurde von Ihnen sogar teilweise beklatscht. Beim Industriepark Fechenheim sind Sie zögerlich, gebietsfremde Nutzung, wie Rechenzentren, auszuschließen. Bei der Erweiterung des Industrieparks Höchst nach Süden brauchen Sie über ein Jahr, bis überhaupt ein Aufstellungsbeschluss verabschiedet worden ist. Sie setzen auf das Prinzip Hoffnung – Hoffnung, dass die Gewerbesteuer weiterhin so sprudelt wie bisher. Aber das kann zum Trugschluss werden, wenn Frankfurts Attraktivität kippt und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen nicht mehr stimmen. Dieser Prozess ist leider bereits in Gang. Zu wenig neue Schulen, Schul- und Kitabau im Schneckentempo, öffentlicher Nahverkehr ist in der Rushhour überfüllt und der Ausbau stockt, verstopfte Straßen mit vielen Schlaglöchern, defekte Spielplätze, schlecht gepflegte Friedhöfe, ein Gezerre um die Zukunft der Bühnen mit allen Folgen für den weichen Standortfaktor Kultur und so weiter. Nicht zuletzt die Stadt wird immer dreckiger.

Wenn das die Realität ist, zeigen die offensichtlichen Lücken im Haushalt und im Planungszeitraum bis 2026 erhebliche Versäumnisse. Bei den Bühnen sind außer Planungsmitteln keine Angaben enthalten, bei der Verlängerung der U 5 zum Frankfurter Berg nur Planungsmittel, bei der Paulskirchensanierung nur Planungsmittel, beim Haus der Demokratie versteckte Planungsmittel und auch nur bis 2023, Multifunktionsarena: völlige Fehlanzeige. Das belegt einmal mehr, dieser Haushalt verkennt die Themen, die in der Stadt wirklich wichtig sind und die den Bürgern unter den Nägeln brennen. Aus der letzten Bürgerumfrage wissen wir aber, was die Menschen in dieser Stadt wirklich und vor allem beschäftigt: Das Wohnungsangebot ist weiterhin zu knapp und das Sicherheitsempfinden geht zurück. Außerdem beklagt ein Großteil der Befragten den Zustand der Straßen.

Wir haben als CDU dem Rechnung getragen mit unseren Haushaltsanträgen, die in Summe den Haushalt, wie erwähnt, um sechs Millionen Euro entlasten würden, während die Koalitionsfraktionen noch einmal 15 Millionen Euro oben draufsatteln wollen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie unter anderem unsere Anträge zum städtischen Wohngeld, zu deutlich mehr Haushaltsmitteln für die Unterhaltung und die Sanierung von Straßen, aber eben auch für mehr Stellen bei der Stadtpolizei ablehnen. Mit dem städtischen Wohngeld wollen wir eine wichtige Lücke schließen, Singles und Familien unterstützen, deren Einkommen zu hoch für die Förderwege 1 und 2 ist, die sich aber eine Wohnung auf dem freien Markt trotzdem nicht leisten können. Von der Objekt- zur Subjektförderung, das wäre ein guter Weg und den sollten wir gemeinsam einschlagen. Das ist der richtige Zeitpunkt und jedes weitere Warten geht auf Kosten der Betroffenen.

Ich fasse zusammen: Die CDU‑Fraktion wird diesen Haushalt ablehnen. Dafür gibt es drei Gründe: Der Haushalt 2023 hat ein falsches Timing, er treibt die Verschuldung deutlich weiter nach oben und er setzt die falschen Schwerpunkte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

                              (Beifall)

DR. NILS KÖßLER
Fraktionsvorsitzender

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