rede Michael zu Löwenstein 03.02.2018

Michael zu Löwenstein: Ist die AfD eine rassistische Partei?

CDU-Fraktion-Frankfurt-am-Main-AFD-Logo-03.03.2020

Über diese interessante Frage hätten wir gern am Donnerstag in der Plenarsitzung des Stadtparlaments eine Debatte geführt und die AfD selbst hatte das Thema praktisch auf die Tagesordnung gesetzt, nämlich mit einem Antrag, dem Eintracht Frankfurt e.V. alle städtischen Mittel (für ihre Jugendarbeit) zu streichen, solange deren Präsident Peter Fischer seine Aussage nicht zurücknimmt, Wähler der AfD hätten nichts in dem Verein verloren. Leider hat die AfD gekniffen. Im Haupt- und Finanzausschuss haben sich ihre beiden Vertreter, vorneweg der Fraktionsvorsitzende, flugs aus aus dem Raum geschlichen, als das Thema angesprochen wurde, und für die Plenarsitzung haben sie die Anmeldung zur Debatte zurückgenommen.

Aber auch wenn die AfD selbst gerne diese Debatte verhindern möchte, interessiert es vielleicht, was ich mir in Vorbereitung dazu zusammengesucht hatte (wohlgemerkt, für eine Redezeit von maximal 10 Minuten, deswegen sehr knappe Auswahl), daher hier eine ungehaltene Rede:

Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine Damen und Herren,

wir begrüßen es sehr, dass die AfD mit dieser Anmeldung Gelegenheit gibt, sich mit etwas zu beschäftigen, was die AfD gern zu vermeiden sucht, nämlich die AfD selbst. Denn um die geht es hier in Wahrheit, nicht um die Eintracht, der geht es prima in der Champions League, und auch nicht um Peter Fischer, dem geht es prima mit 99 % Unterstützung der Vereinsmitglieder. Und natürlich ist der Antrag abwegig, einem Verein die städtischen Fördermittel wegen einer Äußerung des Vorsitzenden in einer vereinsinternen Angelegenheit zu streichen.

Ist die AfD eine rassistische Partei, das ist das Thema, denn wenn sie das ist, dann muss sich in der Tat jeder ihrer Wähler entscheiden, ob er sie weiter wählt oder Mitglied der Eintracht wird oder bleibt – das schließt sich gegenseitig aus, gottlob, denn unsere Eintracht steht mit an der Spitze der Bundesliga-Vereine, die den Kampf gegen Rassismus zu einem Leitthema gemacht haben.

Ist eine Partei rassistisch, in der ein Landesvorsitzender nicht ausgeschlossen werden kann, der ausführt

Zitat Anfang: Die Evolution [die Evolution!] habe Afrika und Europa unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. In Afrika herrsche die so genannte r-Strategie vor, dort dominiere der so genannte Ausbreitungstyp und in Europa verfolge man überwiegend die k-Strategie, die die Kapazität des Lebensraums optimal ausnutzen möchte :Zitat Ende

(Björn Höcke, Landesvorsitzender Thüringen, lt. Spiegel Online)

und bei der ihr Bundesvorsitzender sagt, er könne darin keinen Rassismus erkennen?

(Jörg Meuthen, Bundesvorsitzender, lt. FAZ vom 9.1.2018 S. 8)

Ist eine Partei rassistisch, in der ein Landesvorsitzender nicht ausgeschlossen werden kann, der es für Zitat Anfang: dämliche Bewältigungspolitik :Zitat Ende bezeichnet, wenn in der Hauptstadt unseres Landes, dessen Regierung im Rassenwahn und Rassenhass sechs Millionen Menschen ermorden ließ, nur weil sie Juden waren, daran mit einem Denkmal erin-nert wird? Herr Höcke hat das als Denkmal der Schande bezeichnet, was immer er damit genau meinte, aber der Skandal liegt natürlich vor allem darin, dass er dieses Denkmal aus der Hauptstadt beseitigt sehen möchte.

(Björn Höcke, Landesvorsitzender Thüringen, lt. NZZ vom 9.1.2018 S. 13)

Ist eine Partei rassistisch, deren Bundesvorsitzender und Bundestags-Fraktionsvorsitzender eine deutsche Frau, stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, in Zitat Anfang: Anatolien entsorgen :Zitat Ende will, nur weil sie türkischer Abstammung ist, und der nachdrücklich erklärt, er bereue diese Äußerung nicht, sondern halte die Aufregung darüber für ein lächerliches Bohei?

(Alexander Gauland, Bundesvorsitzender und Bundestags-Fraktionsvorsitzender, lt. Tagesspiegel v. 15.10.2017 S. 5 und FAZ v. 30.8.2017 S. 1)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Landesvorsitzender sagen darf

Zitat Anfang: Ich will, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit hat. Ich will, dass Deutschland auch eine tausendjährige Zukunft hat :Zitat Ende?

(Björn Höcke, Landesvorsitzender Thüringen, lt. Die Welt Online vom 17.10.2017)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Landtagsabgeordneter nicht ausgeschlossen werden kann, der notorischer Antisemit ist, der zum Beispiel schreiben darf

Zitat Anfang: Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes :Zitat Ende?

(Wolfgang Gedeon, Mitglied des Landtags Baden-Württemberg, Herbst 2015, lt. Die Welt vom 19.01.2018, S. 4)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Kommunalpolitiker nicht ausgeschlossen wird, der auf Facebook behauptet,

Zitat Anfang: kein einziger Jude sei durch Zyklon B oder die Gaskammern ermordet worden :Zitat Ende?

(Gunnar Baumgart, lt. Die Welt v. 19.1.2018 S. 4)

Ist eine Partei rassistisch, deren Bundesvorsitzender und Bundestags-Fraktionsvorsitzender seinen Mitbürgern nahelegt, so einen wie Jerôme Boateng hätten sie nicht gern zum Nachbarn, nicht weil er Fußball spielt, sondern weil seine Hautfarbe schwarz ist? Übrigens der Bruder desjenigen, der gerade maßgebend unsere Eintracht in Champions League-Lüfte geschossen hat – so eine Partei soll die Eintracht für kompatibel erklären?

(Alexander Gauland, Bundesvorsitzender und Bundestags-Fraktionsvorsitzender, lt. TAZ v. 25.9.2017 S. 5)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Landespolitiker nicht ausgeschlossen, sondern als Bundestags-Abgeordneter aufgestellt und gewählt wird, der im Brauhaus Matzke in Dresden die

Zitat Anfang: Herstellung von Mischvölkern beklagt, die die nationale Identität auslöschen :Zitat Ende?

(Jens Maier, MdB, lt. TAZ v. 12.9.2017 S. 3)

Ist eine Partei rassistisch, bei der derselbe Mensch sagen darf, ohne ausgeschlossen zu werden,

Zitat Anfang: Der norwegische Rechtsterrorist Anders Breivik sei aus Verzweiflung heraus zum Massenmörder geworden, ob der Einwanderung von Kulturfremden :Zitat Ende?

(Jens Maier, MdB, lt. TAZ v. 12.9.2017 S. 3)

Ist eine Partei rassistisch, deren jetzige Bundestags-Fraktionsvorsitzende der Welt am Sonntag zufolge einer Bekannten in einer E-Mail schrieb,

Zitat Anfang: die Regierenden würden durch eine Überschwemmung mit kulturfremden Völkern wie Arabern, Sinti und Roma systematisch die bürgerliche Gesellschaft zerstören und diese Schweine seien nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs :Zitat Ende?

(Alice Weidel, Bundestags-Fraktionsvorsitzende, lt. Welt am Sonntag, zitiert in Tagesspiegel v. 11.9.2017 S. 4)

Ist eine Partei rassistisch, deren bayerischer Landesvorsitzender nach einer Gerichtsentscheidung vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf, weil dieser in Bezug auf die eindeutig rassistische und rechtsextreme Identitäre Bewegung gesagt habe, die AfD sei ein Schutzschild für diese Organisationen, eine Vorfeldorganisation, die man unterstützen müsse?

(Petr Byrston, Landesvorsitzender Bayern, und Verwaltungsgericht München lt. Süddeutsche Zeitung v. 29.7.2017)

Ist eine Partei rassistisch, bei der der Leiter des Wahlkreisbüros eines Landesvorsitzenden sich für ein Landtagsmandat mit dem Satz bewirbt:

Zitat Anfang: Der politische Gegner hat sich die Abschaffung des deutschen Staatsvolkes und die Vernichtung des Stolzes der deutschen Nation auf die Fahnen geschrieben :Zitat Ende?

(Jürgen Pohl, lt. Tagesspiegel v. 14.3.2017 S. 5)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Kreisvorsitzender sagen darf, ohne ausgeschlossen zu werden, Zitat Anfang: im Zweiten Weltkrieg hätten die zwei größten Massenmörder gesiegt:Zitat Ende?

(Martin Siechert, lt. TAZ v. 14.2.2017 S. 2)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Landespolitiker auf Facebook eine Karikatur verbreiten darf, auf der neben einer Comicfigur mit Hakennase der Text erscheint

Zitat Anfang: Mein Name ist Jacob Rothschild und wir haben weltweit so gut wie jede Zentralbank in Besitz :Zitat Ende?

(Jan-Ulrich Weiß, lt. TAZ v. 14.2.2017)

Ist eine Partei rassistisch, deren stellvertretende Bundesvorsitzende einen Internetblog betreibt, auf der der Satz zu lesen war

Zitat Anfang: Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen :Zitat Ende?

(Beatrix v. Storch, stellvertretende Bundesvorsitzende, lt. Faktenpapier CDU Hessen v. 15.2.2016)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Bundestagskandidat in Berlin erklären darf Zitat Anfang: wir riefen Gastarbeiter, bekamen aber Gesindel :Zitat Ende?

(Nikolaus Fest, Lt. Tagesspiegel Online, zitiert bei Zeit Online v. 31.8.2017)

Ist eine Partei rassistisch, deren Bundesvorsitzender und Bundestags-Fraktionsvorsitzender in allen solchen Zusammenhängen stehend erklären darf:

Zitat Anfang: der Islam ist ein Fremdkörper in Deutschland :Zitat Ende?

(Alexander Gauland, Bundesvorsitzender und Bundestags-Fraktionsvorsitzender, lt. Süddeutsche Zeitung v. 17.4.2016)

Ist eine Partei rassistisch, bei der ein Bundestagsabgeordneter über seinen Twitter-Account den Sohn von Boris Becker als Zitat Anfang: kleinen Halbneger :Zitat Ende beleidigt und erst auf öffentliche Aufregung hin einen Mitarbeiter dafür verantwortlich macht?

(Jens Maier, MdB, lt. Spiegel Online v. 8.1.2018)

Ist eine Partei rassistisch, deren stellvertretender Bundestags-Fraktionsvorsitzender früher bei der Erstellung eines Wahlkampfvideos für die Republikaner beteiligt war, das nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin nur so verstanden werden konnte, dass mit ihm der Holocaust gebilligt, geleugnet oder verharmlost werden sollte?

(Peter Felser, MdB, stellvertretender Bundestags-Fraktionsvorsitzender, lt. Spiegel Online v. 27.11.2017)

Ist eine Partei rassistisch, deren Kandidat für den Bundestagsvizepräsidenten Menschen muslimischen Glaubens die Religionsfreiheit abspricht?

(Albrecht Glaser, MdB, lt. Spiegel Online v. 22.10.2017)

Kann man so eine Partei als rassistisch bezeichnen? Darüber mögen die Politologen diskutieren. Jedenfalls duldet sie den Rassismus in ihrer Mitte und an ihrer Spitze, und sie tut das natürlich aus kalter Berechnung, um Stimmen zu fangen, um Ressentiments zu wecken und auszunutzen, die es leider bei manchen Wählern gibt. Aber Rassismus ist in Deutschland keine harmlose Marotte, anderswo auch nicht, Rassismus ist in Deutschland mörderisch gewesen, er ist es auch anderswo, und deswegen darf er nie wieder, nie wieder, in Deutschland salonfähig werden, nie wieder Teil des erlaubten politischen Diskurses, egal, gegen wen er sich richtet. Denn auch Rassismus, der sich gegen Menschen aus islamischen Ländern richtet, hat die sehr konkrete Gefahr, mörderisch zu sein, dafür haben wir nicht nur in Norwegen Beispiele, ich erinnere an die NSU-Prozesse, ich erinnere an den gestern begonnenen Prozess wegen eines Bombenanschlags auf eine Dresdner Moschee.

Deswegen halte ich die Äußerung von Peter Fischer für hundertprozentig richtig. Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag hat Peter Fischer in einem Twitter-Beitrag am 30. Dezember als

Zitat Anfang – drittklassigen Proleten eines Fußballvereins – Zitat Ende

bezeichnet, dessen Äußerung sie belustigend finde. Frau Weidel hat die Bezeichnung „Drittklassiger Prolet” zu einer Ehrenbezeichnung gemacht – wenn aufrechter Gang, klare Sprache und entschlossenes Handeln gegen Rassismus dazu qualifizieren, dann möchte ich bitte auch als „Drittklassiger Prolet” bezeichnet werden.

Vielen Dank

MICHAEL ZU LÖWENSTEIN

LESEN SIE AUCH

Dr. Nils Kößler: Weggang der IAA aus Frankfurt

Dr. Thomas Dürbeck: Caricaturamuseum

Sabine Fischer: Fortschreibung Schulentwicklungsplan