rede dr. nils kößler 05.11.2020

Dr. nils kößler sprach bei der 49. Stadtverordnetenversammlung zum thema corona

Corona Frankfurt am Main

Herr Vorsteher, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die steigenden Fallzahlen bei den Corona‑Infektionen erfüllen auch die CDU‑Fraktion mit großer Sorge. Die Maßnahmen der Politik in Bund, Land, aber auch hier in Frankfurt haben bisher dazu geführt, dass die Pandemie bislang im Rahmen des Möglichen kontrolliert werden konnte. Insbesondere das Vorgehen des Frankfurter Gesundheitsamtes ist für uns etwas, worauf wir uns verlassen und worauf wir vertrauen. Die aktuellen Kontaktbeschränkungen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, sind zwar hart, erscheinen aber leider notwendig und auch angemessen. Mit Blick auf die Einschränkung der Grundrechte, die mit den Anti‑Corona‑Maßnahmen einhergehen, orientieren wir uns an einem Freiheitsbegriff, der sich nicht nur auf die Starken und Jungen beschränkt. Freiheit ist immer auch die Freiheit der Schwachen und der anderen. In dieser Pandemie müssen alle Entscheidungen auch das Risiko für die Schwachen berücksichtigen. Man kann vieles korrigieren, aber der Tod eines Menschen, eines nahen Angehörigen ist unwiderruflich.

Wir sind in einer schwierigen Lage, und die Menschen sind unsicher. Für viele ist nach wie vor Corona eine abstrakte Gefahr. Demgegenüber sind die Einschnitte und die Regeln, an die wir uns halten müssen, hart und für viele plastisch. Aber es ändert nichts daran, die Intensivbetten füllen sich, die Ansteckungszahlen sind hoch, zu hoch, und die schwierigen Verläufe und Todesfälle nehmen zu. Das kann man nicht ignorieren. Gleichwohl gibt es Menschen, die das trotzdem tun, die Verschwörungstheoretiker mobilisieren. Da passt es eigentlich ganz gut, dass ich gestern Abend, als ich nach Hause kam, im Briefkasten etwas vorfand vom angeblichen Demokratischen Widerstand, der die Menschen einteilt in Kommunisten – das sind wir -, die das Virus ernst nehmen, und die wahren Demokratinnen und Demokraten – das sind die anderen -, die das nicht tun. Beigefügt war die Werbung für die Initiative „Eltern stehen auf“, die dafür steht, dass Quarantänefreiheit wichtig ist, dass Maskenfreiheit wichtig ist, und dass Abstandsfreiheit wichtig ist. Das macht ein Stück weit Angst, aber diese Diskussion müssen wir mit allen anderen, die sich nicht in solche Verschwörungstheorien flüchten, führen. Das sind wir eben gerade den Schwachen und denjenigen schuldig, die wir schützen wollen.

Die Entwicklung zeigt aber auch, dass wir kritisch bewerten müssen, was in den letzten Monaten geschehen ist. Wir haben vieles richtig gemacht. Die Abstandsregeln scheinen sinnvoll zu sein. Die Maskenpflicht scheint Erfolge zu zeitigen.Gerade in engen Räumen, wie in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr, wo sie als erstes eingeführt wurde, können wir doch wohl auch mit einem gewissen Selbstbewusstsein sagen, dass wir uns zu Recht für eine erhebliche Regulierung entschieden haben und den Menschen Vorschriften machen, um sie zu schützen und das Leben in diesem Land aufrechtzuerhalten. Das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren!

Gleichwohl zeigen die letzten Monate aber auch Fehler und Schwächen. Das muss man ganz offen aussprechen. Auch der Föderalismus hat an diesen Stellen mit dem Flickenteppich in Deutschland, gerade dann, wenn es um eine Krise und zügige Reaktionen geht, ab und zu eine gewisse Blockadefunktion. Das hat zwar bisher wahrscheinlich keinen nachhaltigen Schaden angerichtet, es ist aber sehr aufwendig und kostet viel Abstimmungsbedarf. Es sollte uns vielleicht in ruhigeren Momenten Aufgabe sein, darüber nachzudenken, was hier verbessert werden kann.

Fehler passieren, das wurde eben gesagt. Niemand ist unfehlbar, und hinterher ist man immer schlauer. Das gilt natürlich auch in einer so außergewöhnlichen Situation wie jetzt. Trotzdem müssen wir auch sagen, wir haben eine ganze Menge Dinge zu Recht in den letzten Monaten miteinander vereinbart, gehen diesen Weg weiter und stellen jetzt noch einmal Korrekturbedarf fest. Deswegen gibt es leider den Teil‑Lockdown seit Montag. Man muss auch einmal offen und sich ehrlich ins Gesicht sagen, dass wir oft das Gefühl haben, die Gutwilligen halten sich an die Regeln und das nachlässige Verhalten der Rücksichtslosen müssen wir ausbaden. Das gehört zur Wahrheit und sollte ab und zu klar ausgesprochen werden, denn die Einsicht und die Rücksicht ist eben zum Glück bei vielen vorhanden, aber beileibe nicht bei allen. Wir stellen auch schon hier im Parlament fest, dass immer dann, wenn es ernst wird, wenn es darum geht, sich vielleicht auch zu beschränken, die Meinungen plötzlich auseinandergehen. Dann sagen eben die einen, ja, heute Abend wollen wir nur über einen Punkt diskutieren – das sagen fast alle -. Aber eine Gruppe schert wieder aus und sagt, wir wollen aber auch noch über ein anderes Thema diskutieren, wir stellen uns außerhalb der an sich vernünftigen Regelung. Damit leben wir, aber es ist natürlich trotzdem bezeichnend, dass in solchen schwierigen Situationen immer auch einmal jemand eine Sonderrolle spielen muss, obwohl alle anderen bereit sind, sich einzuschränken.

Als offene, demokratische und pluralistische Gesellschaft müssen wir beweisen, dass wir diese Pandemie in den Griff bekommen. Die nächsten Wochen sind entscheidend dafür, ob die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden kann, und ob wir auch unseren wirtschaftlichen Wohlstand durch eine sinnvolle Politik hier weiterhin erhalten können und damit die Lebensqualität der Menschen in Deutschland wie in Frankfurt.

Ich bedanke mich für die CDU bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die schon seit Beginn der Pandemie vor acht Monaten die massiven Einschränkungen nicht nur hinnehmen, sondern sich auch daran halten, selbst wenn es schwerfällt. Frankfurt kämpft in eindrucksvoller Weise mit Kreativität und Improvisationstalent. Das sind Fähigkeiten, die gerne und glücklicherweise in Krisensituationen oft an den Tag treten. Darüber freuen wir uns, und das sollten wir unterstützen, auch in der Stadtpolitik. Bei allem, was wir tun, gilt: Vorrang hat die Gesundheit. Erst danach kommt der Erhalt der Wirtschaftsleistung, ebenso wie die Offenhaltung von Schulen und Kindergärten, so wichtig sie auch sind. Das ist uns als CDU vorrangig wichtig, und dafür stehen eben eine ganze Reihe anderer Sachen zurück.

Als Ausgleich für die wirtschaftlichen Einbußen durch die Maßnahmen, die gerade jetzt wieder im zweiten Lockdown eine ganze Reihe von Unternehmen und Branchen treffen, etwa die Gastronomie, die Kultur- oder auch die Unterhaltungsbranche, gibt es – das ist richtig so – ein weiteres Hilfsprogramm, etwa auf Bundesebene. Diese Maßnahmen begrüßen wir als CDU‑Fraktion ausdrücklich, denn diese Betriebe tragen eine große Last und verdienen unsere Solidarität. Es ist aber auch ein schönes Zeichen, dass gerade zu Pandemiezeiten Frankfurt die Ärmsten der Armen nicht vergisst. Dazu gehört zum Beispiel die wieder in das Leben gerufene Winteraktion für obdachlose Menschen, die seit 1. November 150 Übernachtungsmöglichkeiten, etwa in der B‑Ebene oder in der U‑Bahn‑Station am Eschenheimer Tor, vorfinden. Ein Hygienekonzept ist mit dem Gesundheitsamt abgestimmt. Auch der Kältebus ist seit Mitte Oktober wieder unterwegs.

Wenn jetzt alle mitziehen, haben wir gute Chancen, die Pandemie einzudämmen und das Ruder herumzureißen. Als CDU‑Fraktion sind wir uns bewusst, dass bis zur Zulassung eines wirksamen Impfstoffs gegen das Virus noch schwierige Monate vor uns liegen. Gleichwohl sind wir aber überzeugt, dass wir als Gesellschaft, sofern alle guten Willens sind, an einem Strang ziehen, die notwendigen Maßnahmen ergreifen und die Einschränkungen jetzt in Kauf nehmen und diese auch hinter uns bringen, diese schwierige Situation meistern und am Ende alle gesund und in einer guten Verfassung diese Krise gemeistert haben.

Vielen Dank!

                              (Beifall)

[andere Wortmeldungen]

Stadtverordneter Dr. Nils Kößler, CDU:

Frau Vorsteherin,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich will noch einmal kurz etwas zu Dingen sagen, die uns weiterhelfen und die wir brauchen, und zu Dingen, die wir bei dem Thema nicht so brauchen. Den Punkt Lüfter würde ich gerne Herrn Stadtrat Majer überlassen, denn das Thema wurde heute mehrfach angesprochen. Vielleicht kann dazu von fachlicher Seite etwas gesagt werden.

Ich knüpfe an Herrn Ochs an, der vorhin zitierte, „erlöse uns von den Blöden“. Ich fürchte, zum Denken kann man niemanden zwingen und das wird auch beim Thema Corona offenbar. Deswegen müssen wir uns leider auch bei dem Gesamtkomplex mit der Frage befassen, wie reagiert die Stadt undwie reagiert der Staat richtigerweise eigentlich auf das Verhalten von denjenigen, die keine Rücksicht nehmen, die sich nicht an die Regeln halten und die damit eigentlich auch der Grund sind, warum die Infektionszahlen weiter sprunghaft ansteigen. Die richtige Antwort, an der man nicht vorbeikommt – und das hat selbst sogar die LINKE. verstanden, auch wenn sie es nicht zugeben will – ist, dass hier natürlich mit Kontrollen und am Ende auch mit polizeilichen Kräften gearbeitet werden muss, die dafür sorgen, dass es auch eine Überwachung und Durchsetzung dieser Regeln gibt. Dies kann natürlich nicht flächendeckend sein und  kann auch nicht das ersetzen, was Herr Majer zu Recht eingefordert hat, dass es eine Solidarität und ein Einsehen darin gibt, dass es sinnvoll ist, diese Regeln zu befolgen. Aber, das zeigen uns auch die Rückmeldungen aus der Bevölkerung, die Menschen, die sich an die Regeln halten, fragen zu Recht danach, was tut ihr eigentlich dafür, dass auch diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, am Ende nicht zu einer Gefahr für die anderen werden. Da führt im Moment leider auch keine andere Lösung an der Erkenntnis vorbei, dass die Polizeikräfte auch bei uns am Limit sind. Deswegen ist es wichtig und wir begrüßen es als CDU, dass die Kräfte, die verfügbar sind, seien es auch Kräfte der Bundespolizei, hier in Frankfurt zum Einsatz kommen. Das soll uns nicht von den Kräften ablenken, die in Frankfurt schon engagiert ihren Dienst tun. Da bedanke ich mich ausdrücklich bei der Landespolizei und beim Polizeipräsidium Frankfurt. Deren Kräfte haben nicht zuletzt zum Beispiel am vergangenen Wochenende ihren Kopf hingehalten und sich immer wieder für die Allgemeinheit einsetzen müssen und sie sind dabei manchmal auch leider Opfer von Gewaltexzessen geworden. Dagegen müssen wir uns in schärfster Form verwahren, meine Damen und Herren!

                              (Beifall)

Diese Gewalt gegenüber den Freunden und Helfern in Uniform verurteilen wir . Das ist ein Ausdruck, den wir vielleicht nicht immer benutzen, aber an dieser Stelle ist er richtig und wichtig und wir wollen ihn ausdrücklich tatsächlich einmal in dieser Form benutzen. Die Stadtpolizei ist natürlich auch Teil dieser Kräfte und deswegen sind wir froh, das will ich für die CDU einmal ganz selbstbewusst sagen, dass allein in den letzten drei Wochen auch die Stadtpolizei hier in Frankfurt das geleistet hat, was sie nur leisten konnte. Sie hat über 2.000 Verstöße etwa gegen die Pflicht zum Tragen der Mund‑Nase‑Bedeckung geahndet. Zum Glück sind hier die richtigen Prioritäten gesetzt worden;  es ist noch nicht so lange her, dass gerade in diesem Haus sehr unterschiedliche Auffassungen darüber bestanden, was eigentlich die wichtigen Aufgaben der Stadtpolizei seien. Ich bin dankbar, dass hier auch in meiner näheren Umgebung, wo ich gerade stehe, …

Stellvertretende

Stadtverordnetenvorsteherin

Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Kommen Sie bitte zum letzten Satz. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Stadtverordneter Dr. Nils Kößler, CDU:

(fortfahrend)

… inzwischen eine gewisse Einsicht eingekehrt ist, dass die Sauberkeit zwar in dieser Stadt wichtig ist, aber in der jetzigen Situation die Stadtpolizei wichtigere Aufgaben hat, als, wie war das formuliert worden, in erster Linie die Schmutzfinken abzuzetteln, meine Damen und Herren.

Stellvertretende

Stadtverordnetenvorsteherin

Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Herr Dr. Kößler, Ihre Redezeit ist überschritten.

Stadtverordneter Dr. Nils Kößler, CDU:

(fortfahrend)

Das ist im Moment nicht das Gebot der Stunde.

Vielen Dank!

                              (Beifall)

 

© Bild: picture alliance/dpa | Andreas Arnold

DR. NILS KÖßLER
Fraktionsvorsitzender

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