rede dr. nils kößler 15.07.2021
Dr. nils kößler sprach bei der 4. Stadtverordnetenversammlung zur Abberufung der CDU-Dezernenten
Frau Vorsteherin, meine sehr verehrten Damen und Herrn,
Regierungswechsel sind ein selbstverständlicher Teil von Demokratie. Und die CDU gesteht das Recht zum Personalaustausch jeder neuen Koalition zu – ebenso wie sie es dort in Anspruch nimmt, wo sie selbst Teil einer Koalition wird. In diesem Licht sehen wir die Anträge auf Abberufung, über die heute zum ersten Mal abgestimmt wird.
Die vier ausscheidenden Dezernenten aus den Reihen der CDU stehen für jahrelanges Engagement zum Wohl unserer Stadt. Sie stehen für persönliche Leistungen, individuelle Projekte und politische Schwerpunktsetzungen.
Mit Bürgermeister und Kämmerer Uwe Becker wird der Lotse im Magistrat von Bord gehen. Ein Schiff ohne kundige Führung kann verunglücken, wenn der Lotse zum falschen Zeitpunkt von Bord geht. Das nur als freundlicher Hinweis, denn Sie wissen genauso wie wir, dass dieser Kämmerer seit 14 Jahren für die finanzpolitische Stabilität dieser Stadt steht. Stabilität und feste Werte hat Bürgermeister Becker aber in vielen wichtigen Bereichen gezeigt: Wenn es hier im Plenum und anderswo klarer Worte bedurfte, stand er regelmäßig auf und zeigte in den Debatten einen sicheren Kompass. Unsere gemeinsamen moralischen Überzeugungen brachte er dabei – oft über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg – deutlich und treffsicher zum Ausdruck.
Seit 2006 und damit 15 Jahre hat Uwe Becker dieser Stadt im Magistrat in unterschiedlichen Funktionen gedient. Er hat in seiner Amtszeit als Kämmerer nicht nur für geordnete Finanzen und stets genehmigungsfähige Haushalte gesorgt. Er hat auch die Kämmerei, die Stadtwerke und die anderen großen Beteiligungsunternehmen unserer Stadt sicher durch zwei Krisen, die Finanzkrise und die Corona-Krise, geführt. Ohne das finanzpolitische Maßhalten der CDU mit Kämmerer Uwe Becker wären die wichtigen Rücklagen Frankfurts heute längst aufgebraucht.
Herr Becker wird es zukünftig von der Magistratsbank aus nicht mehr sagen, aber wir werden es tun: Wenn das neue Linksbündnis in zahlreichen Bereichen weitere Vergünstigungen plant, muss dieses Geld entweder von den fleißigen Bürgern dieser Stadt erwirtschaftet oder an anderer Stelle eingespart werden!
Wenn das Geld fehlt, weil Sie es für teure „Wohlfühl-Projekte“ wie das 365-Euro-Ticket vergeuden, wird Ihnen auch die Abwahl von Uwe Becker und ein neuer Kämmerer nichts nützen. Dann sitzt Ihnen nicht nur der Innenminister als Kommunalaufsicht im Nacken, auch der Ruf der Linken nach einer Erhöhung der Gewerbesteuer wird die neue Koalition spalten. Dabei ist eins gerade im Internetzeitalter klar: Es ist kein Naturgesetz, dass sich Unternehmen automatisch in Frankfurt ansiedeln. Frankfurt muss um seinen Status als Erfolgsstadt im Herzen Europas kämpfen. Die anderen Metropolen schlafen nicht. Ansiedlungspolitik und Pflege des Bestands ist harte Arbeit.
Davon kann Wirtschaftsdezernent Markus Frank ein Lied singen. Ausdauer ist hier gefragt, und diplomatisches Geschick im Umgang mit der Wirtschaft. Das kann nicht jeder. Seine Bilanz seit 2009 und damit über 12 Jahre kann sich sehen lassen: Markus Frank hat die Ansiedlung von ca. 200 Unternehmen und ihren Arbeitsplätzen in Frankfurt erreicht! Mit ihm sind klar verbunden:
- Die Erarbeitung eines Industriepolitischen Masterplans,
- die Sicherung des Osthafens bis 2050,
- der Umbau der Hanauer Landstraße zu Frankfurts Kreativviertel.
Sein besonderes Augenmerk lag auf der Stärkung des Einzelhandels in den Stadtteilen, den Frankfurter Wochenmärkten und natürlich dem Handwerk, für das Frankfurt nun endlich auch einen Gewerbehof errichten wird.
Frankfurt, meine Damen und Herren, ist mit diesem pragmatischen und tatkräftigen Wirtschaftsdezernenten gut gefahren. Und da er zusammen mit den weiteren Ressorts Sicherheit, Feuerwehr und Sport die meisten Verantwortlichkeiten im Magistrat hat, muss heute festgestellt werden: Die neue Koalition braucht in Zukunft offenbar drei Dezernenten, um das bisherige Arbeitspensum von Herrn Frank zu schaffen. Da die Zeit beschränkt ist, zähle ich nur einige Beispiele auf, was alles unter seiner Führung geleistet wurde:
- Taktisches Feuerwehrkonzept 2020,
- Bau des Frankfurter Rettungs- und Trainingszentrums der Feuerwehr,
- Neubau des Ordnungsamtes, Innenstadtwache an der Hauptwache,
- Sicherheitsmobil für Aktionen in den Stadtteilen,
- Ausbau der Videoüberwachung,
- Abschluss des Neubauprogramms von 56 Kunstrasenspielfeldern mit einer Punktlandung,
- Bäderkonzept für ein weiter hohes Niveau bei der Ausstattung mit Schwimmstätten für Freizeit und Sport,
- Neubau Stadion Bornheimer Hang,
- Weiterentwicklung der Galopprennbahn zu einer Fußball-Akademie mit benachbartem Bürgerpark,
- Mietvertrag mit Eintracht Frankfurt zum Betrieb des Waldstadions.
Und Herr Frank hat für eine Multifunktionsarena gekämpft, als die Idee noch von vielen belächelt wurde. Mit Recht hat er bei diesen Themen, wenn sie hier zum Beschluss anstanden, gerne gesagt: „Heute ist ein guter Tag für Frankfurt!“
Meine Damen und Herren, wir sind gespannt,
- mit welchem Geschick die neue Koalition zukünftig Konflikte wie den am Friedberger Markt lösen wird,
- ob sie sich ähnlich klar und deutlich vor die Stadtpolizei stellen wird
- und mit welchem Nachdruck Sie für die Sportinfrastruktur in dieser Stadt kämpfen werden, wenn Ihnen das Geld plötzlich fehlt, weil sie es anderweitig verplant haben.
Dafür wird Ihnen auch das eigenständige Digitaldezernat keine Erste-Hilfe-„App“ entwickeln können – mit welcher Person das dann auch immer besetzt sein mag. J Wenn überhaupt. Da gibt es ja derzeit viel Bewegung und in kurzen Abständen immer wieder neue Namen.
Mit nur einem Ressort wird die Person am Ende so oder so jedoch mehr freie Zeit in ihrem Amt haben, als Stadtrat Jan Schneider. Mit Herrn Schneider wählen Sie einen Stadtrat ab, der in seiner Zuständigkeit für Reform, Bauen, IT und Bürgerservice ein erhebliches Arbeitsprogramm absolviert und richtig dicke Bretter gebohrt hat. Da war einiges dabei, wo manche Kollegin und mancher Kollege im Magistrat insgeheim froh war, dass es nicht zu den eigenen Baustellen gehörte. Seit 2013 und damit fast 8 Jahren hat er wichtige Reformprojekte für unsere Stadt vorangebracht.
Mit der Gründung des Amtes für Bau und Immobilien im Jahr 2017 hat Stadtrat Schneider die größte Verwaltungsreform in der Geschichte der Stadt Frankfurt betreut und gestaltet: Aus Liegenschaftsamt, Hochbauamt und Teilen des Stadtschulamtes ist mit dem ABI ein moderner kommunaler Dienstleister für Planung, Bau und Bewirtschaftung von 3.500 städtischen Gebäuden und 44.000 Grundstücken geworden. Eine Herkules-Aufgabe!
Daneben hatte Jan Schneider neben der Vielzahl anderer städtischer Bauprojekte seit 2016 auch in Sachen Schulbau alle Hände voll zu tun:
Die Notwendigkeit, in jedem Jahr im Schnitt zusätzlichen Platz für fast 2.000 Schülerinnen und Schüler zu schaffen, und gleichzeitig einen enormen Sanierungsstau abzuarbeiten, war eine große Herausforderung, der er sich mit viel Ausdauer, Elan und Einsatz gewidmet hat.
Hier gelang Stadtrat Schneider schon bald die Trendwende: 2019 hat die Stadt Frankfurt es zum ersten Mal seit langen Jahren geschafft, das für den Schulbau zur Verfügung stehende Budget im Vollzug voll auszuschöpfen. In nur einem Jahr wurden 160 Mio. € in den Schulbau investiert – 70% mehr als noch zwei Jahre davor!
Unter seiner Ägide wurde ferner das System der Holzmodulbauten getestet und erfolgreich umgesetzt: Die qualitätsvollen und zugleich kosteneffizienten Bauten sind bereits wenige Jahre später für Kindertagesstätten oder Auslagerungen von Schulen überhaupt nicht mehr wegzudenken. Mit Jan Schneider wird ein innovativer und lösungsorientierter Baudezernent abgewählt. Die Messlatte für Frau Weber liegt hoch, denn sie muss demnächst beweisen, dass ihre Dauer-Kritik an Herrn Schneider und am ABI nicht bloß parteipolitischer Natur gewesen ist.
Die Sozialpolitik in dieser Stadt trägt seit 2007 und damit seit 14 Jahren die maßgebliche Handschrift von Stadträtin Prof. Dr. Daniela Birkenfeld. Sie hat als Dezernentin nicht einfach die umfangreiche Sozialverwaltung geleitet, sondern „die soziale Stadt Frankfurt“ gestaltet und weiterentwickelt: Mit klaren Wertvorstellungen und großer Empathie hat sie sich für die Menschen engagiert, die Hilfen benötigen:
- Kinder und Jugendliche in benachteiligten Familien,
- Obdachlose,
- Senioren in Heimen und einsamen Lebenssituationen,
- Menschen auf der Flucht,
- Arbeitslose
Wer Daniela Birkenfeld kennt, weiß, dass sie ein Gespür für diese Menschen hat.
Ich nenne nur ein wichtiges Beispiel ihres Arbeitsstils: Seit dem Jahr 2009 lädt sie zu den Foren „Älterwerden in Frankfurt“ ein, um mit Seniorinnen und Senioren vor Ort ins Gespräch zu kommen. Auch umfängliche Befragungen, etwa zum Wohnen im Alter, dienten der Dezernentin als Grundlage für ihre Entscheidungen. Das ist Bürgerbeteiligung, wie wir sie brauchen! Die dürftigen wenigen Zeilen zur Seniorenpolitik im neuen Koalitionsvertrag sind jedenfalls noch ausbaufähig. Da ist von dem Respekt vor der Lebensleistung älterer Menschen bisher nichts zu erkennen!
Stadträtin Birkenfeld ging es um die Menschen und den sozialen Frieden in der Stadt. Gerade deswegen sind wir dankbar dafür, mit welcher Umsicht sie in den Zeiten des starken Flüchtlingszuzugs dafür gesorgt hat, dass alle diese Menschen in Frankfurt ein Dach über dem Kopf fanden und den Umständen entsprechend gut versorgt wurden. Hier hat sich die langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit der Stadträtin mit den sozialen Trägern und Verbänden ausgezahlt, ohne deren Mitwirken das nicht im Ansatz möglich gewesen wäre.
Daniela Birkenfeld hat sich als große Krisenmanagerin bewährt. In der Corona-Pandemie galt ihre besondere Sorge den älteren Menschen in den Heimen sowie den alleinstehenden zu Hause und im Betreuten Wohnen: So hat sie sich stark gemacht für eigene Schutzkonzepte, schnellere Impfangebote und Taxi-Gutscheine bei Fahrten zum Impfzentrum.
Mit ihrer lebenspraktischen Herangehensweise an Themen und ihrer Hartnäckigkeit in der Sache hat sie sich hohe Reputation in Politik, Verwaltung und Gesellschaft erworben. Sie wählen heute eine sehr geachtete und erfolgreiche Sozialdezernentin ab.
Mit dem Ausscheiden der 4 CDU-Dezernenten wird die Gesamtverantwortung der neuen Links-Koalition für Frankfurt offiziell. „Gesamtverantwortung“ bedeutet sowohl Verantwortung für alle in der Stadt, als auch Verantwortung für alles in der Stadt. Das ist der Maßstab, an dem sich die neue Koalition messen lassen muss. Und das ist auch die Hürde, über die Grüne, SPD, FDP & Volt bald stolpern werden. Ihr Koalitionsvertrag kündigt es sozusagen an!
Die Menschen in Frankfurt werden bald einiges merken. Ich nenne an dieser Stelle nur drei Beispiele:
- Wer für die Arbeit oder seine Familie ein Auto braucht, gehört für die neue Koalition zu dem Teil der Bevölkerung, für den kein Platz mehr ist. Zumindest nicht kostenlos auf der Straße in der Nähe seiner Wohnung – egal, wie leer oder voll es auf den Parkplätzen dort ist.
- Wer gerne selbst entscheidet, was er isst oder welches Verkehrsmittel er warum benutzt, gehört für die Koalition zu dem Teil der Bevölkerung, dem die neue Stadtregierung Nachhilfe erteilen soll. Denn Grüne & Co. wissen besser, als die Menschen selbst, was gut für sie ist.
- Wer gerne in seinem eigenen Kleingarten ackert oder ausspannt, gehört für die Koalition zu dem Teil der Bevölkerung, der abgeschafft wird. Denn Kleingärten spielen in deren Zukunftsvision keine Rolle mehr, sie sollen durch Urban Gardening ersetzt werden. Eigene Parzellen für Menschen, die sich kein Haus mit Garten leisten können, gibt es da nicht mehr.
Es wird viele Enttäuschte geben. Und für diese Menschen, ob arm oder reich, ob alt oder jung, wird die CDU da sein. Wir werden als Opposition aktiver sein als die Regierungsfraktionen, das verspreche ich Ihnen schon heute! Wir werden in vielen Fällen die überzeugenderen Vorschläge machen sowie Konzepte anbieten. Und wir werden die Stimme derjenigen sein, die von der neuen Koalition übergangen oder vergessen werden. Darauf freuen wir uns!
© Bilder: Stadt Frankfurt am Main – Uwe Becker/Foto: Stefanie Kösling – Jan Schneider/Foto: Salome Roessler – Daniela Birkenfeld/Foto: Bernd Euring – MarkusFrank/Foto: Stadt Frankfurt am Main
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