rede dr. albrecht kochsiek 04.04.2019
Dr. Albrecht Kochsiek sprach Zum Wohnungsmarktbericht 2017
Herr Vorsteher, meine Damen und Herren,
beim jetzigen Tagesordnungspunkt geht es um den Tätigkeitsbericht des Jahres 2017. Dieser verweist auf den Wohnungsmarktbericht 2017. Diese beiden Berichte des Amtes für Wohnungswesen können wir daher gemeinsam behandeln. Im Wohnungsmarktbericht ist zu lesen, dass die Anzahl der genehmigten und fertig gestellten Wohnungen im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 deutlich gestiegen ist. Die Summe der genehmigten Wohnungen ist von etwa 4.300 auf rund 5.900 – also um rund ein Drittel – nach oben gegangen. Die fertig gestellten Wohnungen stiegen um etwa ein Viertel auf rund 4.700 Wohnungen. Es gibt also eine deutliche Zunahme im Wohnungsbau.
Wie Stadtrat Mike Josef auf einer Pressekonferenz am 11. März verkündete, sind die genehmigten Wohnungen im Jahre 2018 auf über 7.000 gestiegen. Bei den fertiggestellten Wohnungen ist der zweithöchste Wert in den letzten 40 Jahren erreicht worden. Das ist gut, um die Bevölkerung mit Wohnungen besser zu versorgen, löst aber noch nicht das Wohnungsproblem im Ganzen. Dessen sind wir uns bewusst.
Zurück zum Tätigkeitsbericht 2017: Nun hat uns Herr Yilmaz mal wieder ein Schreckensszenario bei den Sozialwohnungen an die Wand gemalt. Ja, die Zahlen der neu erstellten Sozialwohnungen sind nicht befriedigend. Allerdings ist es nicht so, dass nun Familien auf der Straße stehen würden. Jeder ist mit Wohnraum versorgt, aber vielleicht nicht so, wie er oder sie es sich wünscht oder es angemessen wäre. Um diejenigen, die den größten Bedarf haben, kümmert sich das Amt für Wohnungswesen als erstes. Denn bei der Vergabe der Sozialwohnungen gibt es drei Dringlichkeitsstufen. In der höchsten Stufe 1 geht es unter anderem um diejenigen Menschen, bei denen die Räumung ihrer Wohnung z.B. aufgrund eines Räumungsurteils unmittelbar bevorsteht.
In Stufe 2 sind Menschen, die in ihrer derzeitigen Wohnung schlecht untergebracht sind bzw. beengt wohnen. Und in Stufe 3 – also der niedrigsten Dringlichkeitsstufe – geht es um Mieter, die noch recht gut untergebracht sind, aber z.B. wegen der Entfernung zum Arbeitsplatz oder zur Schule der Kinder umziehen möchten. Wer ein Jahr auf der Warteliste steht, rutscht eine Stufe nach oben, da sonst die Suchenden in der Stufe 2 und 3 gar keine Chance auf die Vermittlung einer Wohnung hätten.
Im Übrigen hat Stadtrat Josef im Planungsausschuss am 21. Januar ja verkündet, dass im Jahre 2018 viermal so viele Sozialwohnungen wie im Vorjahr genehmigt wurden. Im Interview der Frankfurter Rundschau am 31. Januar spricht er von 312 neuen Sozialwohnungen im Jahre 2018. Das zeigt: Bei den Sozialwohnungen geht es bergauf.
Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass es ja auch noch das Wohngeld gibt und Hartz IV-Empfänger auch Geld zum Wohnen bekommen. Über das Wohngeld können viele Wohnungssuchende eine passende Wohnung finden und die Miete zahlen. Das ist ein wichtiger Baustein für Menschen mit zu kleinem Geldbeutel. Ich persönlich bevorzuge, wohnungssuchende Menschen in dieser Form zu unterstützen. Denn das Wohngeld wird nur so lange ausbezahlt, wie der Empfänger bedürftig ist. Dagegen leben in den Sozialwohnungen leider allzu viele, die gar nicht mehr berechtigt und bedürftig sind. Trotzdem profitieren sie von günstigen Mieten. Die Leidtragenden sind die wirklich Bedürftigen und die Steuerzahler, weil sie Menschen, die gar nicht unterstützt werden müssen, Wohnungen finanzieren. Zwar kann das Amt immer wieder überprüfen, ob jemand noch ein Recht auf eine Sozialwohnung hat, aber das ist aufwendig und kostet wiederum Steuergeld.
Übermorgen demonstriert das sogenannte „Bündnis Mietenwahnsinn“. Darum möchte ich noch auf den „Mietentscheid Frankfurt“ zu sprechen kommen. Vor ein paar Wochen haben einige Mitglieder der Koalitionsfraktionen, zu denen auch ich gehörte, mit Vertretern des „Mietentscheids“ gesprochen. Über das nicht öffentliche Gespräch haben unter anderem die Frankfurter Neue Presse und die Frankfurter Rundschau berichtet. Wir fanden es gut, dass die Initiatoren des Mietentscheids das Gespräch mit uns gesucht haben, und ich bin beeindruckt, mit welch großem Engagement die Initiatoren tätig sind. Alles läuft auf ehrenamtlicher Basis. Grundsätzlich finde ich es sinnvoll, dass sich Menschen Gedanken darüber machen, wie man die Frankfurterinnen und Frankfurter mit Wohnraum versorgen kann. Das verdient unser aller Respekt.
Trotzdem halte ich den Mietentscheid für rechtswidrig und lehne ihn auch inhaltlich ab. Die Idee, dass die ABG Frankfurt Holding, nur noch sozialen Wohnungsbau betreiben und alle bestehenden, frei finanzierten Wohnungen in Sozialwohnungen umwandeln soll, schadet den Wohnungssuchenden in unserer Stadt. Wenn der Vorschlag der Initiatoren und damit auch der Partei „Die Linke“ umgesetzt würde, würde sich das nachteilig auf den frei finanzierten Wohnungsmarkt auswirken, die soziale Mischung verhindern und Ghettos schaffen. Im Übrigen würde das Kapitalpolster der ABG abgeschmolzen werden.
Des Weiteren würde die ABG als Wettbewerber im frei finanzierten Wohnungsbau komplett wegfallen, wenn sich die Idee der 100% geförderte Wohnungen durchsetzen würde. Die Linke würde also dafür sorgen, dass Gewinne in Zukunft nur noch von Privaten abgeschöpft werden und die ABG leer ausginge, also keine Gewinne im Markt erzielen könnte. Damit würde der ABG Geld fehlen, um ihren Wohnungsbestand in Schuss zu halten.
Im Übrigen erklärt uns die Linke auch nicht, wie sie das alles überhaupt finanzieren möchte. Die ABG will in den nächsten fünf Jahren 10.000 Wohnungen für 2,8 Mrd. Euro bauen. Ein großer Teil soll als geförderte Wohnungen entstehen. Dafür erhält die ABG Fördermittel des Landes und der Stadt.
Die ABG hat ausgerechnet, dass bei einer kompletten Förderung der 10.000 Wohnungen – jeweils zur Hälfte im 1. und 2. Förderweg – auf die Stadt und das Land jeweils eine Mehrbelastung von 650 Mill. Euro im Vergleich zum jetzigen Wohnungsmix (von jeweils 15 % im 1. Förderweg und 2. Förderweg) zukommen würde. Stadt und Land hätten also zusammen in den kommenden fünf Jahren (bis 2023) 1,3 Mrd. Euro an Mehrbelastungen.
Hinzu kommt noch folgendes: Die 36.000 Wohnungen der ABG Holding im frei finanzierten Wohnungsbau wirken sich auch im Mietspiegel aus. Der durchschnittliche Mietpreis bei der ABG Holding beträgt im frei finanzierten Bereich 7,98 € pro Quadratmeter und wirkt sich damit dämpfend auf den Mietspiegel aus. Das Marktniveau in ganz Frankfurt liegt nämlich bei 10,28 € pro Quadratmeter oder vielleicht auch schon darüber. Dieser dämpfende Effekt dürfte in den nächsten fünf Jahren auch erhalten bleiben, da die ABG Holding nach einem Beschluss der Koalition den Mietzins in ihren frei finanzierten Wohnungen um nicht mehr als ein Prozent pro Jahr erhöhen darf.
Die ABG stellt mit ihren 36.000 frei finanzierten Wohnungen rund 10 % aller frei finanzierten Wohnungen in Frankfurt. Wenn diese ABG-Wohnungen aus dem freifinanzierten Wohnungsmarkt herausfallen würden, dann entfielen sie für die Berechnung des Mietspiegels. Die Linke würde also die Durchschnittsmiete beim Mietspiegel nach oben treiben, wenn sie den frei finanzierten Wohnungsbestand der ABG abschaffen möchte.
Es lässt mich immer wieder erstaunen, dass die Linke bis heute nicht versteht, wie Unternehmen betriebswirtschaftlich so organisiert werden, dass sie effizient arbeiten und den Menschen nützen. Auch die ABG braucht ein Kapitalpolster, damit die Menschen gerne und gut ausgestattet in ihren Wohnungen wohnen.
Ferner möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Koalition in den letzten Monaten bereits Maßnahmen ergriffen hat, um den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben. Neben den 40 %, die die ABG Holding über ihren Bestand hin an Sozialwohnungen errichten soll, sind es vor allem die beiden Förderprogramme des Förderweg 1 und 2 die mit neuen Fördermitteln auch die Privaten dazu bringen sollen, sozialen Wohnungsbau zu betreiben.
Keinesfalls dürfen wir uns aber ausschließlich auf den geförderten Mietwohnungsbau konzentrieren. Wenn wir schon den Wohnungsbau subventionieren, dann müssen wir zusätzlich junge Familien beim Kauf einer Wohnung oder eines Hauses unterstützen. Die Kinder sind unsere Zukunft. Auch deren Eltern sollen sich das Leben in ihrer Heimatstadt leisten können. Ferner kann man mit Eigentum fürs Alter vorsorgen und sich vor Verdrängung, neudeutsch Gentrifizierung, schützen und es ist gut für das Sozialgefüge. Der Vorschlag von Stadtrat Jan Schneider in der FAZ v. 27. März, dass wir den Normalverdienern und Leistungsträgern in der Mitte unserer Gesellschaft ein Angebot machen müssen, damit sie eine Wohnung oder ein Eigenheim erwerben können, begrüße ich daher sehr.
Gefördert werden könnte demnach auf zwei Wegen: Entweder erhält der Eigentümer Zuschüsse zum Eigenkapital oder wir verpflichten die Investoren, einen Teil der Wohnungen mit Preisabschlag anzubieten. Konkret bedeutet das, dass wir die Bauentwickler und Bauträger dazu bringen, geförderte Wohnungen auch für Eigentümer zur Verfügung zu stellen – z. B. für einen Quadratmeterpreis von 4 bis 4.500 Euro. Selbstverständlich muss es Richtlinien geben, nach denen die subventionierten Wohnungen erworben werden können. Als Grundlage bietet sich das „Frankfurter Programm zur Förderung von neuem Wohnraum für selbst genutztes Wohneigentum“ an. Da dieses – z. B. wegen der niedrigen Zinsen – nicht mehr zeitgemäß ist, muss es angepasst werden.
Wenn wir die Investoren dazu verpflichten, diese günstigen Eigentumswohnungen anzubieten, müssen wir den 30 %-Anteil für den geförderten Wohnungsbau neu aufteilten. Ein Drittel würden wir dann für den sozialen Wohnungsbau vorsehen, ein Drittel für das sogenannte Mittelstandsprogramm und ein Drittel für die geförderten Eigentumswohnungen. Damit könnten wir ein Zeichen setzen und den jungen Familien zurufen: „Zieht nicht ins Umland. Wir wollen Euch in Eurer Heimatstadt halten!“.
Es gilt das gesprochene Wort.
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