neue Drogenpolitik
Der Zürcher Weg - Neue Drogenpolitik für Frankfurt
Wir sind uns einig – die Situation im Bahnhofsviertel muss sich verbessern. In den vergangenen Wochen sind Anwohner, Geschäftstreibende und Hilfseinrichtungen auf uns zugekommen, um über ihre Anliegen und die Problematik zu sprechen.
Während der Corona-Krise hat sich die Situation für alle, aber vor allem für die drogenkranken Menschen massiv verschlechtert und die Erfolge, die wir vor allem in der jüngsten Vergangenheit erzielen konnten, sind leider zurückgegangen. Wir finden, dass es daher an der Zeit ist, einen neuen Weg in der Frankfurter Drogenpolitik einzuschlagen. Das erfolgreiche Zürcher Modell bietet dabei Chancen für wichtige Reformen. Einen entsprechenden Antrag haben wir in der Koalition bereits eingereicht.
Frankfurt und Zürich haben eines gemein: Beide Städte gelten seit Anfang der 1990er Jahre als Drogenhochburgen. Um diesem Problem zu begegnen, etablierten Frankfurt und Zürich eine neue Drogenpolitik, eröffneten Konsumräume, in denen Abhängige mitgebrachte Drogen unter Aufsicht konsumieren können. Doch während wir in Frankfurt immer mehr die Kontrolle über die offene Drogenszene und die Kriminalität zu verlieren scheinen, hat Zürich bis heute ein sehr erfolgreiches Konzept etabliert – der offene Drogenkonsum ist weitgehend aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Was macht Zürich also scheinbar besser als Frankfurt?
Um Antworten darauf zu finden, haben sich unsere CDU-Stadtverordneten aus dem Gesundheitsausschuss und dem Sicherheitsausschuss zusammen mit unserem Sicherheitsdezernenten Markus Frank auf den Weg nach Zürich gemacht, um mit Verantwortlichen über die Züricher Drogenpolitik zu sprechen. Ein ganz wichtiger Aspekt, den uns Florian Meyer, Abteilungsleiter der Kontakt- und Anlaufstelle in der Militärstraße, auf den Weg gibt: „Wir versuchen die Szenen zu steuern.“
Was macht Zürich anders als Frankfurt?
Drogenkonsum und Sucht können weder mit Unterdrückung noch mit unkontrolliertem Gewährenlassen erfolgreich behandelt werden. Die pragmatische Drogenpolitik orientiert sich sowohl an den Bedürfnissen der Allgemeinheit als auch an den Menschen, die Suchtmittel konsumieren.
Darauf aufbauend entwickelt die Stadt Zürich eine Strategie, die sich auf die vier Säulen Prävention, Repression/Regulierung, Schadensminderung und Therapie stützt. Im Gespräch mit Florian Meyer, Abteilungsleiter der Kontakt- und Anlaufstelle in der Militärstraße, haben sich wesentliche Unterschiede zu Frankfurt herauskristallisiert:
- Ebenso wie in Frankfurt gibt es Anlaufstellen und Konsumräume, doch Draußen herrscht eine Nulltoleranzpolitik, der öffentliche Druck auf der Straße ist sehr groß
- Doch anders als in Frankfurt muss in Zürich niemand nachweisen, süchtig zu sein, um einen Konsumraum zu benutzen
- Dezentralisierung der Kontakt- und Anlaufstellen: Die Angebote für Drogenkranke sind im Stadtraum fußläufig verteilt – es herrscht keine Platzmonopolisierung, sondern eine Quartierverträglichkeit
- Die Angebote öffnen und schließen zu verschiedenen Zeiten (Zeitfenster von 07:30 bis 21:30 Uhr), so dass kein Ort und seine Umgebung dauerhaft in Beschlag genommen werden. Damit wird die Szene fragmentiert.
Michael Weis, Abteilungsleiter von Sip züri: „So bleiben die Konsumenten immer in Bewegung und können sich nicht an einem zentralen Punkt sammeln“. - Der Fokus der Polizei liegt nicht auf den Konsumenten. Kleinstmengen und der Handel damit werden bei Drogenkranken nicht verfolgt. Ziel ist die Verfolgung der ‚großen Fische‘
- Doch soweit möglich, findet alles in den Einrichtungen statt inkl. Kleinstverkäufe (Hausordnung: „Kein sichtbarer Deal“). Null-Toleranz für Konsum draußen und Null-Toleranz für Händler
- Der Zugang zu den Zürcher Drogeneinrichtungen ist nur denen vorbehalten, die in Zürich wohnen – Die Städte im Umland müssen also auch Angebote vorhalten und sich um ‚ihre‘ Drogenkranken kümmern. Die Drogenkranken werden kontrolliert und in ihre Gemeinde gebracht – Verantwortung kann nicht auf die Großstadt abgeschoben werden
- Die meisten Drogenkranken haben eine Unterkunft, wobei es dafür ein abgestuftes System gibt
- Der Wohnsitz in Zürich wird kontrolliert, sei es, dass die Betroffenen bereits in einer Liste geführt werden, sei es, dass sie ihre Meldebescheinigung vorzeigen müssen
- Das Personal rund um die Drogeneinrichtungen und Hilfsstellen ist ausschließlich städtisch. Es besteht zur Hälfte aus Sozialarbeitenden und zur anderen Hälfte aus Pflegerinnen und Pflegern. Das Personal sieht seine Aufgabe eher unter Neutralitätsgesichtspunkten und nicht als Anwalt der Drogenkranken
- Integraler Bestandteil der Züricher Drogenpolitik ist das sip züri
Das Zürcher Modell
sip züri – aufsuchende Sozialarbeit auf Zürichs Straßen
Sip steht für „Sicherheit, Intervention, Prävention“. Die 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von sip züri fungieren als Sozialambulanz und leisten Konfliktvermittlung im öffentlichen Raum. Sie kommen aus der Sozialen Arbeit, Pflege, Psychologie oder Sozialbegleitung und sprechen 30 verschiedene Sprachen. Die Sip selbst bezeichnet sich als „Hüterin des öffentlichen Raums“. Ihre Mission: für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sie helfen den kranken Menschen, setzen ab auch Grenzen und kontrollieren konsequent die Einhaltung der geltenden Regeln. Die Sip schafft es, sich vom wachsenden Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung zu nähren und gleichzeitig ein soziales Image aufrechtzuerhalten. Sie arbeiten uniformiert und sind stark mit der Polizei vernetzt. Das Modell findet in Zürich in allen politischen Parteien breiten Zuspruch.
Hauptziel Stadtverträglichkeit
Sucht ist eine Konstante in der Geschichte der Menschheit; sie findet sich in allen Kulturen und Zivilisationen. Urbane Zentren sind ganz besonders mit dem Phänomen des Genuss- und Suchtmittelkonsums konfrontiert. Reine Verbote und polizeiliche Verfolgung erwiesen sich als nicht wirksam. Vielmehr haben sich Verbote sogar als kontraproduktiv erwiesen, sie haben zur Ausbreitung von Schwarzmärkten geführt. Dadurch haben die Kriminalität und das Leid der Abhängigen zugenommen.
Hauptziel der Zürcher Sucht- und Drogenpolitik ist die Stadtverträglichkeit, nicht die Abstinenz: Alle Einwohnerinnen und Einwohner sollen sich sicher fühlen und menschenwürdig leben können. Im Brennpunkt stehen deshalb Probleme, die aus dem Konsum von Genuss- und Suchtmitteln erwachsen, nicht der Konsum an sich.
Sicherheit garantieren
Sicherheit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Lebensqualität. Die Stadt Zürich bekämpft deshalb vehement Bedrohungen ihrer Einwohnerinnen und Einwohner und Störungen der öffentlichen Ordnung. Verfolgt werden störende Verhaltensweisen. Im Vordergrund stehen der organisierte Drogenhandel und die damit verbundene Kriminalität.
Integrieren statt ausgrenzen
Ziel der städtischen Drogenpolitik ist die soziale Integration von Menschen, die Suchtmittel konsumieren. Dies unabhängig, ob sie fähig oder willens sind, abstinent zu leben. Den Betroffenen steht ein breites, lösungsorientiertes Hilfsangebot offen, das von der niederschwelligen Beratung bis hin zur abstinenzgestützten Behandlung reicht. Als Gegenleistung verlangt die Stadt Zürich, dass sich die Klientinnen und Klienten nachweislich um die Verbesserung ihrer Situation bemühen.
Verantwortungsgefühl stärken
Die Suchtprävention zielt primär auf eine Stärkung des Verantwortungsbewusstseins im Umgang mit Sucht- und Genussmitteln. Sie fordert keinen vollständigen Verzicht, sie ist aber bestrebt, Risikokonsum und Suchtentwicklungen zu verhindern. Personen oder Bevölkerungsgruppen, die einer erhöhten Suchtgefährdung ausgesetzt sind, werden frühzeitig erkannt und gezielt unterstützt. Die Stadt Zürich weiß, dass zwischen Suchtbildung einerseits und Freizeitgestaltung, Familienleben, Ausbildung, Erwerbsarbeit andererseits ein enger Zusammenhang besteht. Der Stadtrat koordiniert deshalb seine Drogen- und Suchtpolitik insbesondere mit der Familien-, Kinder- und Jugendpolitik, der Bildungs- und Wirtschaftspolitik sowie der Stadtentwicklungs- und der Sicherheitspolitik.
Fokus auf Bedürfnisse der Stadt
Die Stadt Zürich setzt sich für ihre spezifisch urbanen Bedürfnisse ein und unterstützt alle gesetzlichen Liberalisierungsbestrebungen, die ermöglichen, den Umgang mit Drogen- und Suchtproblemen im Sinne der Stadtverträglichkeit zu regulieren.
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